Mit Georg Forster zog 1779 ein künftiger Revolutionär ins Wörlitzer Schloss ein – als willkommener Gast von Fürst Franz und Fürstin Luise. Jetzt ist er wieder da. Und mit ihm die Schätze seiner Weltumseglung.
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Forster in Wörlitz|
Gesammelte Welten]
Freiheit und Gleichheit – Der Begründer der ersten deutschen Republik
Zum ersten Mal Pressefreiheit in deutschen Landen, die ersten Wahlen, das erste deutsche Parlament, die erste deutsche Republik: Historische Paukenschläge, die sich mit dem schillernden Namen Georg Forster (1754-1794) und seiner „Mainzer Republik” von 1793 verbinden. Er wollte die befreienden Ideen der französischen Revolution auch in Deutschland verwirklichen. Seine Republik wurde nach wenigen Monaten durch preußische Kanonen niedergewalzt. Georg Forster starb bald darauf, nicht einmal 40-jährig, in Paris. Ein Deutscher, der im französischen Nationalkonvent mit glühender Rede donnernden Applaus auslöste. Sein Wort „Nur freie Völker haben ein Vaterland!” gilt bis heute.
Als 17-Jähriger mit Captain Cook um die Welt
Ein Pionier war der Danziger zeitlebens: Zehnjährig startete er mit dem Vater Johann Reinhold Forster im Auftrag der russischen Zarin Katharina zu seiner ersten Wolga-Expedition. Mit 17 ging Georg Forster mit dem legendären britischen Seefahrer James Cook auf eine dreijährige Reise um die Welt und erkundete als Naturwissenschaftler und Zeichner an der Seite seines Vaters die eisigen antarktischen Meere und die verheißungsvollen Inseln der Südsee. Was er von dieser abenteuerlichen Fahrt durch die endlosen Weiten des Pazifik an Zeugnissen fremder Kulturen aus Tahiti, Tonga oder Neuseeland mitbrachte, fand seinen Weg in die großen Sammlungen dieser Welt: nach Oxford und Wien, Berlin und London.
Schätze der Südsee – ein Geschenk für das Dessauer Fürstenpaar
Eine kleine Auswahl dieser Südsee-Schätze aber gelangte nach Wörlitz. Der Hintergrund: 1775, einige Wochen nach der Rückkehr der Forsters von der Weltreise, stattete das Dessauer Fürstenpaar den beiden mittlerweile berühmten Deutschen einen Privatbesuch in London ab – hochinteressierte, neugierige Geister. Als sich Fürst Franz von Anhalt-Dessau und seine Frau Luise wieder verabschiedeten, konnten sie drei Dutzend „Südsee-Curiositäten” als Geschenk mitnehmen. Darunter den Brustpanzer eines tahitischen Kriegers, kunstvolle Kämme aus Tonga oder Ohrgehänge aus jadegrünem Stein aus Neuseeland.
Ein Südsee-Pavillon und ein polynesischer Kultplatz für die Südsee-Sammlung
Vier Jahre später, bei seinem Gegenbesuch in Anhalt-Dessau, blieb Georg Forster zwei Wochen auf Schloss Wörlitz – länger als irgendwo sonst bei seiner Rückkehr auf den europäischen Kontinent, die ihn zuvor zu Benjamin Franklin nach Paris und zum deutschen Kaiser nach Wien geführt hatte. Im Wörlitzer Schloss ließ der Welterkunder anhand der exotischen Stücke aus der Südsee die Welt Polynesiens für seine fürstlichen Gastgeber lebendig werden. Fürst Franz war so begeistert, dass er seinen Hofarchitekten Erdmannsdorff beauftragte, einen Südsee-Pavillon für die Forster-Sammlung zu errichten, in dem die ethnologischen Artefakte 150 Jahre lang, für jedermann zugänglich, präsentiert wurden. Mit dem Auftakt des Wörlitzer Georg-Forster-Jahres wird auch die steinerne Plattform, die den Südsee-Pavillon trägt, als bemerkenswerte gartenarchitektonische Folge von Forsters Besuch in Wörlitz wieder freigelegt: Als Staffagebau einer doppelstufigen Pyramide, die an einen Marae, den zeremoniellen Kultplatz Polynesiens, erinnert. Ein Stück Tahiti in Sachsen-Anhalt.
Die Forster-Stätte unter der Jakobinermütze
In fast 250 Jahren setzten Feuchtigkeit und der Zahn der Zeit dem Südsee-Pavillon und der darin aufbewahrten Sammlung zu. Im 20. Jahrhundert musste die Südsee-Sammlung mehrfach ihr Domizil wechseln und verschwand schließlich ganz im Depot. Mit Ausnahme weniger Jahre, in der sich die DDR mit einer Georg-Forster-Stätte in Wörlitz vor allem des Revolutionärs versichern wollte und zu diesem Zweck auch die einmaligen Stücke aus der Südsee unter einem Freiheitsbaum mit aufgesetzter Jakobinermütze ausbreitete.
Glanzvolle Rückkehr der Wörlitzer Südsee-Sammlung nach über 30 Jahren
Nach über drei Jahrzehnten kehrt Georg Forster, kehren die Südsee-Schätze der Wörlitzer Forster-Sammlung nunmehr ins Licht der Öffentlichkeit zurück – Zeugnisse einer spektakulären Welterkundungs-Expedition und der ungewöhnlichen Begegnung zwischen einem streitbaren Aufklärer und einem aufgeschlossenen Fürsten, der über den eigenen Tellerrand zu blicken vermochte. Heute eröffnet die Ausstellung der Wörlitzer Südsee-Sammlung die Möglichkeit, zur kulturellen Identität der Völker Polynesiens beizutragen, zumal die von den Forsters gesammelten Stücke aus der Zeit vor der zerstörerischen Eroberung des Pazifik durch die europäischen Kolonialmächte stammen. In diesem Sinne ist umfassende Information, ist Transparenz in Fragen der Provenienz, zum Ursprung und den Umständen des Erwerbs sowie dem „Nachleben” der Artefakte aus Ozeanien in der Wörlitzer Sammlung ein besonders wichtiger Aspekt der Ausstellung.
Eine Ausstellung zum sinnlichen Erleben
In den letzten Jahrzehnten wurden viele neue Erkenntnisse über die Fahrten Captain Cooks und die Erkundungen der Forsters in der Südsee gewonnen. In London und Sydney, Paris und St. Petersburg tauchten großartige, bislang unbekannte Südsee-Zeichnungen Georg Forsters auf. Als aufmerksamer Chronist vermerkte Forster in seinen Reiseaufzeichnungen selbst den Duft eines Landstrichs und hielt Musik und Gesänge der polynesischen Inseln in Notenform fest. Sinnliche Eindrücke, die in der Ausstellung reinszeniert werden und deren Erleben den Zugang zu den ethnologischen Exponaten erleichtern sollen.
Work in Progress: Drei Highlights des Wörlitzer Forster-Jahr 2018/2019:
Der nachhaltige Schutz und die behutsame Präsentation der 250 Jahre alten, überaus wertvollen Stücke der Wörlitzer Südsee-Sammlung haben oberste Priorität. Um die ethnologischen Artefakte Stück für Stück in die Dauerausstellung im Mezzanin des Wörlitzer Schlosses zu implantieren, sind daher Zeit und Ruhe erforderlich. Das Voranschreiten der konservatorischen Maßnahmen soll in der Ausstellung selbst reflektiert werden – und gibt zugleich den Rahmen des Wörlitzer Georg-Forster-Jahres im Zusammenklang dreier Höhepunkte vor: Am 6. Mai 2018 macht die Eröffnung der Ausstellung „
Forster in Wörlitz: Südsee-Romantik – Welterkundung – Aufklärung” im Mezzanin des Wörlitzer Schlosses den Auftakt zum Georg-Forster-Jahr. Vom 6. bis 8. September 2018 veranstaltet die Dessau-Wörlitz-Kommission mit der Alexander von Humboldt-Professur für neuzeitliche Schriftkultur und europäischen Wissenstransfer und der Kulturstiftung Dessau-Wörlitz in Wörlitz die wissenschaftliche Tagung „Johann Reinhold und Georg Forster –
Gesammelte Welten”. Und schließlich wird am 6. Mai 2019 die „Rückkehr ins Licht” der gesamten Wörlitzer Südsee-Sammlung gefeiert – dann auf mehr als verdoppelter Ausstellungsfläche im Wörlitzer Schloss.