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Die Decke des Speisezimmers mit den Stichen von Bartolozzi
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Zahlreiche Gemälde zieren nun die Wände.
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Endlich kann der Raum wieder in seiner ganzen Schönheit erlebt werden.
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Medieninformation vom 7. Mai 2013

Das Speisezimmer des Fürsten Franz von Anhalt-​Dessau im Gotischen Haus in Wörlitz

Nach grundlegender Restaurierung des Raumes, des Fußbodens und des Deckengemäldes in den Jahren 2006 bis 2008 ist das Speisezimmer nun wieder mit seinen original erhaltenen Möbeln und Teilen der alten Gemäldeausstattung zu sehen.


Die Kulturstiftung DessauWörlitz präsentiert ein bedeutendes Etappenziel bei der Restaurierung und Wiederherstellung des Gotischen Hauses in den Wörlitzer Anlagen. Nach grundlegender Restaurierung des Raumes, des Fußbodens und des Deckengemäldes in den Jahren 2006 bis 2008 ist das Speisezimmer nun wieder mit seinen original erhaltenen Möbeln und Teilen der alten Gemäldeausstattung zu sehen. Mehr als 30 Jahre konnte es nicht besichtigt werden. Die Eröffnung des Speisezimmers ist ein weiterer Schritt zur Wiedergewinnung des Gotischen Hauses als bedeutendsten Sammlungsort von Kunst in der Zeit des Fürsten Leopold III. Friedrich Franz von Anhalt-Dessau (1740–1817). In die Restaurierung des Raumes mit seinem kostbaren Parkett, der Wandverkleidung, dem Deckengemälde und den Kupferstichen flossen knapp 100.000 Euro, finanziert von der Bundesrepublik Deutschland und dem Land Sachsen- Anhalt. Die Arbeiten wurden maßgeblich von Firmen aus der Region ausgeführt.

Das neue Speisezimmer

Das neue Speisezimmer entstand erst im letzten Bauabschnitt des Gotischen Hauses. Es hat einen quadratischen Grundriss. An der westlichen Seite befindet sich ein raumhohes maßwerkgegliedertes Fenster. Gegenüber an der Ostwand liegt die Tür zum Rittersaal. Der Raum ist rundum durch eine Lambris mit Pilastern gegliedert. Die Füllungen der Paneelfelder sind mit schwarz eingefärbten Ornamenten geziert. Die Wandflächen darüber wurden mit gefassten Nadelholzbohlen belegt. Der Boden ist aus Parketttafeln zusammengesetzt, die eine ornamentale Fassung haben. Die Strukturen der Fassung stimmen in freier Form mit denen der Deckengestaltung überein. Die Decke ist reich gegliedert. Im Zentrum ist ein Deckenbild eingelassen. Umrahmt ist das Deckengemälde von 18 farbigen Reproduktionsstichen von Francesco Bartolozzi (1728–1813) nach Bildnissen Hans Holbeins d. J. (London 1792).
Der Raum war mit mehreren Gemälden ausgestattet. Besondere Bedeutung haben die Glasgemälde des 15. bis 17. Jahrhunderts im gotisch gestalteten Fenster. Von einem verlorenen Kabinettschrank abgesehen, korrespondieren die neugotischen Möbel in ihrer Gestaltung mit den Dekorationsmotiven der Lambris.

Die Wiederherstellung

Seit 2003 finden am Gotischen Haus Sanierungsarbeiten statt. Bislang konzentrierten sich die Aktivitäten der Kulturstiftung im Wesentlichen auf den Außenbereich. Im Inneren konnten bisher nur einige Schwerpunkte bearbeitet werden, darunter das Speisezimmer. Fast drei Jahrzehnte lang konnte das neue Speisezimmer dem Besucher wegen baulicher Mängel nicht gezeigt werden. Feuchtigkeit, Hausschwamm und Anobienbefall hatten die Ausstattung so sehr beschädigt, dass diese teilweise ausgebaut werden musste. Nach der erfolgreichen Raumsanierung arbeiteten Restauratoren aus verschiedenen Fachbereichen daran, das neue Speisezimmer für die Öffentlichkeit wieder erlebbar zu machen.
Durch die Restaurierung wurde die aufgemalte Musterung auf dem Parkett ebenso zurückgewonnen wie die tiefblaue Einfärbung der hölzernen Bohlenwand und das umlaufende Paneel. Besonderes Interesse erregt die Gestaltung der Decke, die für das Speisezimmer programmatische Züge hat: In der ältesten Beschreibung der Innenräume des Gotischen Hauses wird als Deckenbild das Dresdener Gemälde „Genius des Ruhmes” von Annibale Carracci (1560–1609) in einer Kopie des Hofmalers Johann Heinrich Beck (1788–1875) genannt. Sie muss im 19. Jahrhundert durch ein kompositorisch vergleichbares barockes Bild der Urania ersetzt worden sein. Das Besondere der Gestaltung liegt darin, dass der im 18. Jahrhundert besonders geschätzte italienische Maler Carracci eine Umrahmung von 18 Farbradierungen nach Zeichnungen Hans Holbeins d. J. (1597/98–1543) von Francesco Bartolozzi erhielt. Damit kehrte Fürst Franz an den Ausgangspunkt seiner Gestaltungsideen in Wörlitz zurück – Jahrzehnte vorher war der zentrale Festsaal des Wörlitzer Schlosses mit Kopien der Carracci-Ausmalung der Villa Farnese geschmückt worden. So rundet sich das Lebenswerk in der programmatischen Gegenüberstellung von italienischer Barockmalerei zur feinlinigen Bildniskunst Holbeins ab. Interessant ist zudem, dass in dem englischen Landhaus Strawberry Hill, dem großen Vorbild für das Gotische Haus, sich ebenfalls ein Holbein Chamber befand, das auch Kopien dieser Zeichnungen aufbewahrte.
Die Ausstattung im neuen Speisezimmer war besonders aufwändig und reich. Ein Großteil des Mobiliars hat sich erhalten. In dem Zimmer befanden sich bis zum Jahr 1918 70 Gemälde und 18 Graphiken. Von den Gemälden bewahrt die Kulturstiftung 23 und die Anhaltische Gemäldegalerie Dessau 24 auf. Die Gemäldegalerie hat die Neueinrichtung dankenswerterweise durch 21 Leihgaben unterstützt, wovon neun Gemälde aus dem Speisezimmer stammen. Bei der Neueinrichtung gelangten alle 32 zur Verfügung stehenden Gemälde wieder an ihren Ursprungsort. Die Wiederherstellung orientierte sich an der Beschreibung des Gotischen Hauses von 1818, also kurz nach dem Tode und der Neuinventarisierung um 1830, als der Hofmaler Johann Heinrich Beck nach umfangreichen Neuankäufen das Innere des Gotischen Hauses neu organisierte. So wurden beispielsweise die von Beck entfernten Graphiken wieder in das Speisezimmer genommen.

Durch Ergänzungen schmücken den Raum jetzt wieder 47 Gemälde und 29 Graphiken. Das ist ein reicher Bestand von 76 Kunstwerken. Zudem sind die erhaltenen Teile der originalen Möbel wieder aufgestellt. Wie kein anderes Zimmer im Gotischen Haus zeugt das Speisezimmer vom alten Glanz der dort versammelten Kunstwerke.

Das Gotische Haus

Während das Schloss in Wörlitz in nur vier Jahren zwischen 1769 und 1773 errichtet wurde, hat Fürst Franz an dem zweiten wichtigen Gebäude der Wörlitzer Anlagen, dem Gotischen Haus, lebenslang gebaut. Das 1773 begonnene Gebäude wurde mehrfach erweitert. Den vierten Anbau, das Hinzufügen von neuem Speisezimmer und Bibliothek, führte er erst in den Jahren 1811 bis 1813 aus. Damit erhielt das private Refugium des Fürsten Franz – seit 1806 Herzog von Anhalt-Dessau – seinen endgültigen räumlichen Abschluss. Es war seine letzte bauliche Aktivität in den Wörlitzer Anlagen. Das Gotische Haus besitzt als frühes Werk der Neugotik eine herausragende Bedeutung für die deutsche Architekturgeschichte.

Das Gebäude diente zunächst als Wohnung des Gärtners. Zunehmend wurde es zu Sammlungsräumen des Fürsten. Im Gegensatz zum Wörlitzer Schloss und vielen anderen Parkbauten, wo Fürst Franz antike Objekte sammelte oder die Formsprache des Klassizismus aufnahm, war das Gotische Haus in seinen Augen ein Ort des Mittelalters. Die gotische Architektur sollte den Rahmen für seine sich dort entwickelnde Sammlung bilden. Das Gebäude selbst war ursprünglich im Kernbau als eine Basilika angelegt und nach Süden mit Fresken bemalt. Später wurde es überformt und erweitert.

Heute ist das Gotische Haus nicht nur das älteste, sondern auch das einzige neogotische Architekturensemble jener Zeit, das sich noch in relativ originaler Gestalt erhalten hat. Das ist einer der Gründe für seinen hohen kunstgeschichtlichen Wert.

Die Ausstattung des Gotischen Hauses

Besonders wertvoll war und ist die Ausstattung des Hauses mit ca. 600 Gemälden, einer reichen, einzigartigen Glasgemäldesammlung, einer Fülle von Graphiken, seltenen Kabinettmöbeln, Kunsthandwerk und Unika der anhaltischen Geschichte. Das Gotische Haus war die Schatzkammer von Anhalt-Dessau. In ihm wurde eine der ersten gezielt angelegten Sammlungen altdeutscher Kunst mit mehr als 30 Werken der Cranachs und ihrer Werkstatt aufbewahrt. Durch die Novemberrevolution 1918, die Gründung der Anhaltischen Gemäldegalerie 1927 und die Folgen des Zweiten Weltkrieges ist der Kunstbestand wesentlich dezimiert worden, so dass – auch noch durch eine unüberlegte Einrichtung in der jüngeren Geschichte – Glanz und Reichtum dieser Sammlung nur schwer zu erahnen war.

Seit mehr als zehn Jahren arbeitet die Kulturstiftung DessauWörlitz daran, die ursprüngliche Ordnung weitestgehend wieder herzustellen. Drei Räume zeigen bis auf weniges wieder ihr altes Inventar.
Besonders bemerkenswert ist, dass durch die Leihgabe der Anhaltischen Gemäldegalerie das letzte Werk, das der Herzog 1817 für sein Gotisches Haus beschafft hat – die Kopie eines Devotionsaltars mit der Mutter Gottes und dem Jesuskind in der Mitte –, nun wieder im Kriegerischen Kabinett an alter Stelle zu sehen ist.
 

Kontakt

Presse

Maren Franzke
Kulturstiftung DessauWörlitz
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franzke@ksdw.de

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