Das Jahr 2017 verbindet zwei, für die Geschichte der Antikenrezeption und des Klassizismus wichtige Jubiläen – den 300. Geburtstag des Vaters der Archäologie und Kunstgeschichte Johann Joachim Winckelmann und den 200. Todestag seines Schülers und Bauherren des Wörlitzer Schlosses, des Fürsten Franz von Anhalt-Dessau. Für die Kulturstiftung Dessau-Wörlitz ist dies Anlass, die engen Beziehungen des Dessauer Fürsten zu Winckelmann, vor allem aber dessen Einfluss auf die Ausstattung des Wörlitzer Schlosses in den Mittelpunkt der Betrachtung zu rücken und in einer Ausstellung näher zu beleuchten. Unter dem Titel „Revolution des Geschmacks. Winckelmann, Fürst Franz und das Schloss zu Wörlitz” informieren bis zum 17. September 2017 Gemälde, Bücher und Handschriften über die Beziehungen zwischen Winckelmann und seinen Dessauer Freunden und die Gestaltung des Wörlitzer Schlosses, der Ikone des Klassizismus auf dem europäischen Kontinent.
Im Beisein von zahlreichen Gästen wurde heute die Sonderausstellung der Kulturstiftung Dessau-Wörlitz im Haus der Fürstin in Wörlitz von Kultur-Staatssekretär Dr. Gunnar Schellenberger feierlich eröffnet, der sich beeindruckt von der Ausstellung zeigte: „Die Ausstellung setzt ein Ausrufezeichen im kulturellen Veranstaltungskalender. Als Hommage an zwei Landeskinder, deren Schaffen und Wirken bis heute nachhallen, schärft sie das Bewusstsein für unser kulturelles Erbe. Von daher war es uns als Landesregierung ein besonderes Bedürfnis zur Realisierung dieser Schau beizutragen.”
Für die Direktorin der Kulturstiftung Dessau-Wörlitz, Frau Dipl.-Ing. Brigitte Mang, verdeutlicht die Verbindung des Dessauer Fürsten zum Gelehrten Winckelmann ein weiteres Mal seinen Willen zur Weltoffenheit. Sie kommt insbesondere darin zum Ausdruck, dass er es war, der den weitenWeg zum bedeutendsten Kunsthistoriker der Epoche in Rom fand. Ohne sein aufklärerisches Wirken würde das Gartenreich Dessau-Wörlitz als Welterbe der UNESCO heute nicht in dieser Breite und Tiefe existieren.
Winckelmann wurde 1717 in Stendal als Sohn eines Schumachers geboren. Nach dem Studium in Halle und einer Tätigkeit als Hauslehrer und Bibliothekar kam er 1755 nach Rom. 1763 ernannte ihn Papst Clemens XIII. zum Unterbibliothekar der Bibliotheca Vaticana sowie zum Aufseher über die Altertümer des Kirchenstaates. In dieser Position besuchte Fürst Franz ihn am 25. Dezember 1765 und stellte sich folgendermaßen vor: "Ich bin von Dessau, mein lieber Winckelmann; ich komme nach Rom zu lernen, und ich habe Sie nöthig." Dieses Treffen, über das der Gelehrte im Anschluss ausführlich berichtete, mündete in einem Lehrer-Schüler-Verhältnis und einer freundschaftlichen Beziehung, als deren gebautes Monument man das Wörlitzer Schloss bezeichnen kann.
Über mehrere Monate hinweg führte Winckelmann den Fürsten sowie seine Begleiter, darunter den späteren Architekten des Schlosses, Friedrich Wilhelm von Erdmannsdorff, als Antiquario nobile durch die antiken Stätten und Sammlungen in Rom. Der Autor eines Tagebuches der Reise, der Hofmeister Georg Heinrich von Berenhorst, notierte dazu: „Unserer Neugier entgeht nichts, und unsere Anstrengung trägt umso mehr Früchte, als wir das Altertum unter der Leitung des berühmten Abbé Winckelmann, der Unterbibliothekar im Vatikan ist, studieren.”
Beeindruckt von diesen Erfahrungen begannen Fürst Franz und von Erdmannsdorff kurz nach der Rückkehr von dieser Grand Tour mit den ersten Planungen für ein neues „Landhaus zu Wörlitz”, das in seiner architektonischen Neuartigkeit wegweisend werden sollte. Der von Erdmannsdorff entwickelte neue klassizistische Stil erwuchs ganz im Winckelmann’schen Sinne – „durch Nachahmung der Alten unnachahmlich zu werden”. Winckelmanns früher Tod mag zusätzlich dazu beigetragen haben, das ein halbes Jahr später begonnene neue Schloss in Wörlitz verstärkt an seinen wissenschaftlichen Erkenntnissen und ästhetischen Postulaten auszurichten. Zahlreiche Elemente in der Schlossausstattung wie Plastiken, Reliefs und Wandmalereien beziehen sich auf die in seinen berühmten und vielbeachteten Büchern beschriebenen antiken Werke.
In der Ausstellung im Haus der Fürstin informieren Gemälde, Plastiken, Bücher, Grafiken und Handschriften über die engen Beziehungen zwischen Winckelmann und seinen Dessauer Freunden. Sein Einfluss auf die Gestaltung des Wörlitzer Schlosses wird hier wissenschaftlich präsentiert. Ein besonderes Denkmal der Verbundenheit ist das von Anton v. Maron für den Fürsten gemalte Bildnis Johann Joachim Winckelmanns, welches einst im Dessauer Schloss hing. Dieses und eine weitere Version aus Weimar sind hier nebeneinander zu bewundern.
Das Schloss selbst hat in diesem Jahr ebenfalls eine große Neuerung zu bieten: Erstmals nach vielen Jahrzehnten können seine Besucherinnen und Besucher wieder alle Etagen, vom Keller bis hinauf zum Belvedere, komplett eingerichtet besichtigen. Dabei werden ihre Blicke besonders auf die Ausstattungsdetails gelenkt, die direkten Bezug zum berühmten Winckelmann haben. Das „neue Haus”, wie der Fürst und spätere Herzog Franz es selbst mit Understatement nannte, war das erste klassizistische Bauwerk auf dem Kontinent. Jeder Reisende, gleich welchen Standes, sollte es besuchen können. Seit dem Jahr 2000 zählt das Schloss wie das gesamte Gartenreich Dessau-Wörlitz zum Welterbe der UNESCO.
Pünktlich zur Eröffnung der Ausstellung ist ein Katalog mit dem Titel „Revolution des Geschmacks. Winckelmann, Fürst Franz und das Schloss zu Wörlitz” erschienen. Die Publikation enthält von den wissenschaftlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Kulturstiftung sowie von Gastautorinnen und Gastautoren verfasste Essays sowie den Katalog der gezeigten Exponate.
Die Ausstellung wurde gefördert vom Land Sachsen-Anhalt und von Lotto Sachsen-Anhalt.
Öffnungszeiten der Ausstellung: Di – So, Feiertage 10 bis 18 Uhr
Eintritt: 6 €, ermäßigt 5 €
Ort: Haus der Fürstin, Landschaftspark Wörlitz, 06785 Oranienbaum-Wörlitz/ OT Wörlitz
T +49 (0) 34905 – 4090; E-Mail :
Schloss-woerlitz@ksdw.de
Bibliographische Information
Kulturstiftung Dessau-Wörlitz (Hg.), Revolution des Geschmacks. Winckelmann, Fürst Franz von Anhalt-Dessau und das Schloss zu Wörlitz, Mitteldeutscher Verlag, Halle (Saale) 2017, 128 S., 17,95€.