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Forster, der Welterkunder: Heimkehr eines Rekordhalters nach 1111 Tagen
40.000 Seemeilen, eine Strecke fast bis zum Mond, legte der britische Seefahrer James Cook zur Vermessung des Pazifischen Ozeans zurück. Georg Forster, der Naturzeichner an Cooks Seite, kehrte 20-jährig nach 1111 Tagen Weltreise als mehrfacher Rekordhalter heim:
Kein Deutscher vor ihm hatte mehr von der Welt gesehen. Über 50 Inseln hatten er und sein Vater zwischen 1772 und 1775 besucht, ein Dutzend ozeanischer Kulturen kennengelernt, mehr als 600 bis dahin unbekannte Tier- und Pflanzenarten entdeckt, gezeichnet und beschrieben. Niemals zuvor war ein Mensch trotz antarktischer Eismassen tiefer zum Südpol vorgestoßen.
Kostbare Originale von der Weltumseglung – präsentiert nach 250 Jahren
Georg Forsters handschriftliche Südsee-Notizen, Captain Cooks Logbuch, die ersten Bilder von Frauen und Männern der Südsee, dazu die überwältigend schöne Zeichnungen von blühenden Bäumen Tahitis und Pinguinen am Südpol, festgehalten von Forsters eigener Hand vor 250 Jahren: Erstmals finden diese raren Zeugnisse der Weltumseglung im Original in einer Forster-Ausstellung zusammen. In den Augen Georg Forsters betraf die wichtigste Erkenntnis der Reise jedoch das Wesen der Bewohner unseres Planeten. Die Natur des Menschen – so die Quintessenz seiner Welterkundung – ist überall gleich. Für diese Erkenntnis trat Georg Forster selbst gegen den „Weltweisen aus Königsberg”, den Philosophen Immanuel Kant, an. Als Anwalt gegen den Rassismus seiner Zeit.
Forster, der Jakobiner: „Nur freie Menschen haben ein Vaterland!”
Die Idee der Gleichheit ließ Forster nie mehr los. Und so fuhr er mit Alexander von Humboldt, der seinen Lehrer Georg Forster zeitlebens den „hellsten Stern” seiner Jugend nannte, ins revolutionäre Paris, begeistert von den Idealen der französischen Revolution. Als das französische Revolutionsheer beim Zurückschlagen deutscher Interventionstruppen den Rhein überquerte, schlug im Frühjahr 1793 auch in deutschen Landen die Stunde der Revolution. Zwanzig Jahre nach seiner Weltreise stellte sich Georg Forster, inzwischen ein bekannter Gelehrter und Schriftsteller, an die Spitze der „Mainzer Republik”. Um den Bestand dieses ersten demokratischen Aufbruchs in Deutschland zu sichern, setzte sich Forster im Pariser Nationalkonvent für die Vereinigung der „Mainzer Republik” mit dem Land der „freien Franken” ein. Sein Motto: „Nur freie Menschen haben ein Vaterland!”
Forster in Wörlitz: „Dass Fürsten auch Menschen sein können, wenn sie nur wollen … ”
Um so erstaunlicher: Der Briefwechsel zwischen dem künftigen Jakobiner Georg Forster und Fürst Franz, dem spätfeudalen Herrscher von Anhalt-Dessau. „Dass Fürsten auch Menschen sein können, wenn sie nur wollen”, stellte Georg Forster erstaunt fest, als er im Frühjahr 1779 in Schloss Wörlitz ein „Faullenzerleben” führen und mit dem Fürstenpaar zwei Wochen ganz „en famille” verbringen konnte, voller Respekt für die Bemühungen des Fürsten um die Bildung seiner Untertanen, die er im Dessauer Philanthropin studierte. Bei seiner Visite in Anhalt-Dessau vertiefte Forster aber ebenso das Wissen um die exotischen „Südsee-Curiositäten” der Wörlitzer Südsee-Sammlung und vermittelte etwas von der Kultur Polynesiens.
Re-Inszenierung einer sinnlichen Erzählung
Die Ausstellung im Wörlitzer Schloss unternimmt jetzt den Versuch, das eindrucksvolle Südsee-„Colleg”, das Georg Forster vor fast 250 Jahren an selber Stelle vor dem Fürstenpaar und seinen Gästen hielt, anhand von Forsters Reise-Aufzeichnungen zu rekonstruieren. Zu dem Schurz einer Tänzerin von Raiatea gesellt sich so die Zeichnung Poeduas, der Tochter des Hohepriesters der Insel, die in England zum Sinnbild des Tahiti-Mythos wurde. Georg Forster bewunderte sie beim Hiwa, dem polynesischen Tanztheater. Die Noten, die er dort notierte, verwandeln sich nun erstmals in Klänge. Das ethnologische Artefakt einer Haarprobe verbindet sich mit dem Duft der Tiaré-Blüten, die sich die Tänzerinnen beim Hiwa in einen hochaufragenden Turban aus Haar steckten, von dem die Haarprobe vermutlich stammt.
Eine Schatten-Galerie für den Südsee-Pavillon im Wörlitzer Park
Auch die Spuren von Forsters Wörlitz-Visite in der Garten-Architektur sollen mit Beginn des Georg-Forster-Jahres ab Mai 2018 wieder deutlich werden. Zu den eindrucksvollsten gehört der Südsee-Pavillon auf dem Eisenhart am westlichen Zugang zum Wörlitzer Park. Fürst Franz beauftragte seinen Hofarchitekten Erdmannsdorff unmittelbar nach Georg Forsters Besuch mit der Errichtung dieses kleinen, für jedermann zugänglichen Refugiums für seine Forster-Sammlung. Doch Feuchtigkeit und der Zahn der Zeit setzten dem Gebäude zu, heute sind die ethnologischen Artefakte in High-Tech-Vitrinen im Schloss besser aufgehoben. Doch wird der Südsee-Pavillon nunmehr zum Schauplatz einer Installation: Eine Schatten-Galerie soll hier an die Geschichte der Südsee-Sammlung und den bemerkenswert fortschrittlichen Vorgriff des Fürsten von Anhalt-Dessau auf die bürgerliche Institution des Museums erinnern.
Freilegung der Tahiti-Blickachse auf einen polynesischen Kultplatz in Europa
Eine kleine Sensation zu Beginn des Forster-Jahres: Die Freilegung der Tahiti-Blickachse auf dem Eisenhart. Erscheint die Steinplattform, auf der sich Südsee- und Bibliotheks-Pavillon erheben, in der Süd-Perspektive als venezianischer Brückenbogen, so ergibt sich von Westen her eine ganz andere Perspektive: die Ansicht einer doppelstufigen Pyramide. Ein Staffagebau des Hofarchitekten Friedrich Wilhelm von Erdmannsdorff, der an einen polynesischen Kultplatz, an einen Marae, erinnert. Vermutlich der einzige seiner Art außerhalb Ozeaniens! Einmal mehr suchte Fürst Franz hier das Nützliche – Bibliothek und Museum – mit dem Schönen zu verbinden. Die lang überwucherte und nun wiederentdeckte Tahiti-Blickachse wird dem Besucher durch ein neues informatives Schauplateau am Eisenhart präsentiert.