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EinladungVom Floratempel zum Gotischen HausAm 1. Mai 2014 lädt die Kulturstiftung zur kombinierten Sonderführung zum Garten als Paradies, für den der Fürst verantwortlich ist, ein.Wörlitz ist Ausgangspunkt und Ergebnis dessen, was Fürst Leopold III. Friedrich Franz von Anhalt-Dessau (1740–1817) mit seinem einmaligen Programm zur Landesverschönerung und Lebensverbesserung in seinem Staat erreichen wollte. Heute sind in den Wörlitzer Anlagen vor allem die ästhetischen Veränderungen des alle Lebensbereiche umfassenden Reformwerks des Fürsten zu sehen, der sich dabei vom absolutistischen Preußen abwendend vom bürgerlichen England inspirieren ließ. Ihm zur Seite stand sein Freund und Berater Friedrich Wilhelm von Erdmannsdorff (1736–1800), der diese Absichten und deren Realisierung als Vertrauter umsetze.
Dabei entstanden innerhalb der Gartenpartien und darüber hinaus zwischen ihnen und den Architekturen bis hin zu den Inneneinrichtungen der Häuser ungezählte Bilder, deren Bedeutung die Zeitgenossen problemlos entschlüsseln konnten. Heute erschließen sich diese Mitteilungen oftmals nur noch der Fachwelt. Man kann die Botschaften aber leicht entschlüsseln, auch die zur fruchtbaren Verbindung zwischen dem Floratempel und dem Gotischen Haus. So ist beispielsweise an der rückwärtigen Wand des in der Mitte des Gotischen Hauses gelegenen kanalseitigen Eingangsraumes – genau in der Achse, die vom Floratempel aus auf das Haus zuführt – ein großes Gemälde angebracht. Es zeigt Amalia von Solms-Braunfels (1602–1675), die Ur-Ur-Großmutter des Fürsten Franz. Sie ist die Mutter von Henriette Catharina (1636–1708) und Gemahlin des Statthalters der Vereinigten Niederlande, Friedrich Heinrich von Oranien-Nassau (1584–1647). Auf dem Gemälde ist sie als Personifikation der Flora gemeinsam mit ihren zwei Kindern Louise Henriette (1627–1667) und Wilhelm II. (1626–1650) dargestellt. Von der Flora, der Göttin nicht nur der blühenden Natur sondern auch des fruchtbaren Wachstums in ihrem Tempel ausgehend, wird somit auf die fruchtbare Entwicklung der anhaltinischen Dynastie, die eine ihrer Wurzeln – und zwar die namhafteste und berühmteste – im Haus Oranien-Nassau hat, hingewiesen. Zahlreiche andere Gemälde im Gotischen Haus und die zwei Büsten im Gartensaal zeigen Bildnisse der Oranier. Und keines der Objekte ist zufällig platziert. Mit dem Bau des Gotischen Hauses war unmittelbar nach der Fertigstellung des Wörlitzer Schlosses begonnen worden. Zunehmend wurde es zum privaten Refugium des Fürsten. Hier lebte auch die ihm morganatisch angetraute Tochter des Gärtners, Luise Schoch mit den drei gemeinsamen Kindern. Dass sich der Fürst, gegenüber der Flora ausgerechnet mit der Gärtnerstochter paarte, scheint kein Zufall zu sein, sondern Programm. Die Liaison wird somit Ausdruck des fruchtbaren geschlechtlichen Austausches von Mann und Frau. Diese und weitere Bezüge und Bilder zur Göttin der Blumen und Blüten werden auf dem Weg vom Floratempel zum Gotischen Haus anschaulich zu erleben sein. Der FloratempelDer Floratempel zählt zu den bedeutenden Kleinarchitekturen der Wörlitzer Anlagen. Der Tempel ist das letzte Werk des Architekten Friedrich Wilhelm von Erdmannsdorff, das er für Wörlitz schuf. Im März 1796 wurde mit dem Bau begonnen. Bereits ein Jahr später konnte der Berliner Theatermaler Johann Fischer (o. D.), der ab 1772 mehrfach im Auftrag des Fürsten Franz in Wörlitz tätig war, mit der Ausmalung der Zella beginnen. Im Jahr 1798 wurde das Bauwerk, das als Musikpavillon genutzt wurde, vollendet. Der in Schochs Garten gelegene klassizistische Tempel, den der Fürst dank einer Sichtachse von seinem Arbeitszimmer im Gotischen Haus aus jederzeit in Augenschein nehmen konnte, birgt im Inneren eine antike Skulptur der Göttin der Blumen und Blüten. An den Wänden hängen Blumengemälde des hochgeschätzten Wiener Malers Johann Baptist Drechsler (1756–1811). Ausgestattet war der Raum mit wunderschönen Musikmöbeln des um 1800 in Leipzig tätigen Schreiners Friedrich Gottlob Hoffmann (o. D.). Das Relief am Tympanon zeigt die liegende Flora, umgeben von Amor und Zephyr, ein Werk des Gothaer Hofbildhauers Friedrich Wilhelm Eugen Doell (1750–1816). Der Floratempel mit dem charakteristischen Viersäulenportikus war eine im Klassizismus bevorzugte römische Tempelform. Erdmannsdorffs Vorbilder waren der Clitumnus-Tempel bei Spoleto nahe Rom sowie ein Casino im Park von Wilton in England. Der nahe Küchengarten, der Blumen-, Obst- und Gemüsegarten und die 1775 angelegte Baumschule finden mit dem Tempel ihre gartenikonographische Überhöhung. Der Floratempel ist entscheidender Bestandteil im Beziehungsgefüge der Sichtachsen unter anderem von Venustempel, Gotischem Haus und Monument. Unmittelbar neben dem der Musik bestimmten Tempel legte Erdmannsdorff als Hommage an die Musen das sogenannte Blumentheater als ein Symbol für das Zusammenspiel von Kunst und Natur an. Das Gotische Haus Das Gotische Haus zählt zu den frühesten und besterhaltenen neogotischen Architekturen auf dem europäischen Kontinent. Als Vorbild diente der englische Landsitz Strawberry Hill, den der Fürst bei seinem Besuch um Jahr 1764 kennengelernt hatte. Im Jahr 1773 wurde in Wörlitz mit dem Bau begonnen, der bis 1813 mehrfach erweitert wurde. Anfangs als Gärtnerwohnung für denn Hofgärtner Johann Leopold Ludwig Schoch d. Ä. (1728–1793) vorgesehen, enthielt das Haus mit dem Kirchensaal bereits einen programmatisch auf das Mittelalter ausgerichteten Raum. Schon zu Lebzeiten des Fürsten Franz diente ihm das Haus auch als privates Refugium, in dem er gemeinsam mit der ihm morganatisch angetrauten Tochter des Gärtners, Luise Schoch, und den drei gemeinsamen Kindern wohnen konnte. Im Inneren birgt das Gotische Haus eine einmalige Sammlung mit herausragenden, hauptsächlich aus der Schweiz stammenden Glasgemälden vom ausgehenden 15. bis zum 17. Jahrhundert sowie eine bemerkenswerte Ausstattung, darunter zahlreiche Gemälde unter anderem von Lucas Cranach d. Ä. und d. J.
Ansprechpartner Maren Franzke Kulturstiftung DessauWörlitz 06846 Dessau-Roßlau +49 (0) 340 / 646 15-44 +49 (0) 340 / 646 15-50 franzke@ksdw.de
Auf einen BlickOrt:Wörlitzer Anlagen, 06785 Oranienbaum-Wörlitz, OT WörlitzTermin:1. Mai 2014, 11:00 UhrTreffpunkt:FloratempelFührung:Dr. Wolfgang Savelsberg, Abteilungsleiter Schlösser und SammlungenDr. Ingo Pfeifer, Abteilung Schlösser und Sammlungen, Referatsleiter Kunstforschung und Restaurierung Teilnahme: 6,00 Euro |